
Im letzten Jahr kämpfte Kandidat Bastian Castillo in der zweiten Staffel von „Prince Charming“ um das Herz von Alexander Schäfer. Damals sprach er offen und ehrlich über seine HIV-Diagnose und setzt sich bis heute sehr engagiert für das Thema ein. Im Interview zum Welt-AIDS-Tag erzählt er mir, wieso das Thema immer noch so brennend ist und wie man mit Hate und Ausgrenzung umgeht.
Fotostrecke: Niklas Förster / IG: niklasfoerster.photographer
Viele kennen Dich noch von Prince Charming. Du hast diese Plattform und deine Bekanntheit direkt genutzt, um über HIV aufzuklären. Wieso?
Aus meiner Sicht, ist es noch dringend notwendig das Thema weiter der breiten Masse zu präsentieren. Die mediale Präsenz des Themas rückte seit einigen Jahren immer weiter zurück und ich hatte satt mich zu „verstecken“. Ich bekam die Möglichkeit bei „Prince Charming“ mitzumachen und diese Aufmerksamkeit zu nutzen einfach mal offen darüber zu reden und mir wirklich einen Scheiß drauf zu machen, was andere Leute von meinem HIV-Status halten würden. Meine Familie hatte viele Bedenken und Ängste, aber ich bereue es kein einziges Stück es getan zu haben, denn ich kann das Virus eh nicht mehr weitergeben Dank meiner antiretroviralen Therapie. Die Resonanz war durchwegs unterstützend. Dafür bin ich unglaublich dankbar und ich habe bemerkt, dass es einfach Personen benötigt, die einen offenen Dialog darüber führen können. Und ich habe unglaublich viele Nachrichten bekommen von HIV-Positiven, denen es nach wie vor schwerfällt so offen zu reden und ich kann das komplett nachvollziehen, aber gleichzeitig zeigt das auch den jetzigen Stand in dem wir uns befinden. In der Zukunft wird der Dialog über HIV hoffentlich offener. Ich hoffe sehr noch in der Zukunft neue und eigene Projekte in diesem Bereich zu erfüllen.

Du sprichst sehr offen darüber, dass du positiv bist. Das ist nicht selbstverständlich, wenn man sich anschaut, wie vor allem die Medien jahrelang mit dem Thema umgegangen sind. Ich denke da u.a. an die Hexenjagd rund um No Angel Nadja. Glaubst du, dass sich das über die Jahre geändert hat?
Aus eigener Erfahrung muss man tief stürzen oder viel Negativität erfahren, um den eigenen Wert zu erfahren: Nämlich, dass man mehr als der Virus ist. Ein Mensch wie jeder andere. Diese starke negative Konnotation in den Medien hat mich auch stark beeinflusst. Deshalb war für mich auch die Diagnose 2014 ein großer Schock, wo ich schwarz für mich und meine Zukunft gesehen habe. Ich fühlte mich wirklich, als ob jetzt ein Fluch über mich lasten wird und nicht mehr in Ruhe lassen wird. Und so fühlte es sich teilweise auch in den kommenden Jahren an: durch Ablehnung, Beleidigungen, Ignoranz, Einreden eines schlechten Gewissens weil man besser hätte aufpassen sollen oder eines besseren belehrt wird oder sogar körperliche Distanz. Das alles zehrt an einem, obwohl es uns gut geht und wir dank der Medizin niemanden schaden können.
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Die Aufklärung, sowie auch die Darstellung in den Medien, ist aber mit den Jahren besser geworden, auch zu verdanken der Aids Stiftungen und den vielen Aidshilfen, das medizinische Personal außerhalb von HIV-Schwerpunktärzten ist auch bei weitem aufgeklärter. Besonders beim medizinischen Personal hoffen wir auf die größte Unterstützung, denn darin bauen wir auch das größte Vertrauen auf. Ich verdanke den Aidshilfen und ihrer Aufklärungsarbeit meinen Wert zu erkennen, durch meinen Schwerpunktarzt kenne ich meinen Körper besser als eine HIV-Negative Person und den HI-Virus nicht mehr als Fluch anzusehen, sondern als etwas, dass mir den Wert und die Wichtigkeit des eigenen Lebens und des eigenen Körpers stärker veranschaulicht hat.
Welchen Vorurteilen begegnest du heute noch, wenn es um HIV geht?
„Das kriegen doch eh nur die Schwulen!“ Mich schockiert es immer noch, dass HIV nur mit unserer Community in Verbindung gebracht wird, allem voran der Gaycommunity. Fakt ist, und das stimmt zwar, dass die Mehrzahl an HIV-Positive homosexuelle Männer sind, aber dem HI-Virus interessiert das Geschlecht, die Sexualität, das Alter und und und alles recht wenig. Frauen können sich genauso gut anstecken, wie heterosexuelle Männer. Deswegen haben es heterosexuelle Frauen teils schwerer als wir homosexuelle Männer, denn heterosexuelle Menschen fehlt es noch stark an Aufklärung. Wir werden immer noch teilweise als „krank“ angesehen. In der Gaycommunity gibt es gut und gerne den Dialog mit der Frage: „Bist du gesund?“ Die Frage habe ich oft bekommen und es verdutzt mich darauf zu antworten, weil: ich fühle mich gesund, top fit und ich bin kein Krankheitserreger.

Wenn ich dann mal zugebe, dass ich HIV-Positiv bin, dann ist es einigen Menschen zu riskant. Man vertraut der Wissenschaft in der Medizin nicht, oder versteht nicht, was genau eigentlich getan wird, dass HIV nicht mehr weitergegeben wird. 1 Tablette am Tag reicht aus für mich und dazu regelmäßige Kontrollen beim Arzt. Aber etwas mit einem HIV-Positiven anzufangen klingt nicht sicher für einige Menschen. Lieber einfach mit einem HIV-Negativen treffen, der PreP benutzt.
Hat dein HIV-Status heute noch Auswirkung auf dein Dating-Leben? Und welchen Tipp würdest du positiven Menschen, die deswegen schonmal Ablehnung erfahren mussten?
Inzwischen habe ich einen wunderbaren Partner, der mich so akzeptiert wie ich bin und mich auch als den Menschen ansieht, der ich bin und nicht nur den Virus in mir sieht. Er ist HIV-negativ und nutzt eigentlich auch PreP, aber seitdem wir zusammen sind verzichtet er auf seine Tabletten, weil er weiß, dass ich meine nehme und die Medikation auch wirkt und er vertraut mir vollkommen. Das ist es, was sich HIV-Positive Menschen wünschen: eine Person, die einem endlich blind vertraut und den Menschen sieht und nicht den Virus. Aber bis es dazu kam merkte ich wie der Virus das Dating beeinflusste. Ich habe mal getestet und eine zeitlang im Profil auf den gängigen Dating-Seiten „auf PreP“ im Profil zu stehen gehabt und eine Zeit lang „Positiv unter der Nachweisgrenze“. Mir ist aufgefallen, dass mehr Menschen das Interesse hatten mich zu treffen oder mich angeschrieben haben, wenn „PreP“ in meinem Profil erwähnt wurde.
Ironischerweise denkt noch die Mehrheit, dass sich HIV-Positive Menschen rechtfertigen und sich offenlegen müssen, wenn man sich zum Sex treffen möchte. Tut man das, ist es dem anderen aber nicht recht, sich dann zu treffen und die Ablehnung kommt wieder. Öffnet man sich erst später ist das Gegenüber schwer enttäuscht und man wird vorgeworfen man hätte das Vertrauen missbraucht. Wichtig ist zu erwähnen, dass kein HIV-Positiver gezwungen ist, sich vor oder nach einem Date zu rechtfertigen und seinen Status offenlegen muss, wenn er unter einer erfolgreichen Therapie steht. Deshalb mein Rat an positive Mitmenschen weiterhin stark und mutig zu bleiben und sich für ihre Offenheit nicht schämen und schlecht reden zu lassen. Steht drüber und kennt euren Wert (auch wenn es schwierig ist). Eine Hilfe ist es auch euch mit anderen HIV-Positiven auszutauschen, versucht nicht alles auf eigene Faust zu meistern.

Wo muss deiner Meinung nach die meiste Arbeit in der Zukunft getan werden, wenn es um Aufklärung geht?
Wir gehen bereits in die richtige Richtung. Die richtigen Schritte werden bereits in die Wege geleitet. Die ältere Generation verbindet HIV damit, dass es AIDS ist. Deshalb darf das Thema in den Mainstream-Medien nicht untergehen und sollte weiterhin thematisiert werden. Auch die jüngere Generation sollte in der Schule bereits aufgeklärt werden mit den möglichen Safer Sex Methoden. Das medizinische Personal muss auch so gut wie nur möglich geschult werden. Ganz besonders in den Kleinstädten, Dörfern und auch auf dem Land. Denn dort erfahren die meisten HIV-Positiven noch Diskriminierung. Und ich hoffe sehr, dass weitere Personen offen darüber reden können, denn so können noch mehr Leute informiert werden und so kann die Negativität gegenüber HIV-Positiven am besten abgebaut werden. Aber jeder soll für sich selbst entscheiden, wann er offen mit dem Thema umgehen möchte. Niemand soll sich zum Outing gezwungen fühlen. Nehmt euch die Zeit, die ihr benötigt.
Ich hoffe sehr, dass in der Zukunft die Negativität gegenüber HIV-Positive endlich positiver wird.
Interview: Hollywood Tramp
Bilder: Niklas Förster