Erst kürzlich hat Britney Spears mit ihrem Konzert in Tel Aviv Geschichte geschrieben. Es war das drittgrößte Konzert aller Zeiten in der Stadt mit 55.000 Zuschauern. „Wie kann man soviel Geld für Playback ausgeben?“ oder „Wieso wollen so viele Menschen sie sehen, wenn sie nicht live singt?“ sind nur einige Reaktionen auf das Phänomen Britney Spears. Sie gehört zu den größten Stars unserer Zeit und ist lebende Pop Kultur schlechthin. Und das ohne die Anforderungen zu erfüllen, die wir an alle anderen Stars haben. Doch warum ist das so und wieso begeistern sich so viele Menschen für eine Frau, die bis heute Playback singt?
Aktuell gehen erneut die Gerüchte rum, dass Britney Spears 2018 beim Super Bowl die Halbzeitshow machen soll. Wie muss man sich das bei einer Künstlerin vorstellen, die ausschließlich Playback macht? Fakt ist, wenn es dazu kommt, wird Britney Spears so oder so einen medialen Hype auslösen, wie bei allem, was sie tut. Doch wo kommt die Faszination her, die ihre weltweit enorm große Fanbase (nicht zu letzte durch sehr viele schwule Fans) für sie aufbringen? Um das zu verstehen, muss man das Phänomen Britney Spears verstehen und sie im direkten Vergleich zu anderen Künstlern setzten. 1998 erscheint ihre erste Single „Baby One More Time“ und macht sie zum Weltstar. Wir befinden uns mitten im Zeitalter des Casting-Wahns. Alle Sender suchen plötzlich Gesangs- und Allroundtalente für neue Girl-Groups, Boybands oder dem nächsten Superstar. In den 80ern und Anfang der 90ern wurde besondern durch MTV der Popstar zu einer Person gemacht, die wir alle nicht greifen können und die von einer anderen Welt zu kommen scheint. Man konnte froh sein, wenn man dank MTV einen Blick hinter die Kulissen bekam. David Bowie, Michael Jackson, Prince und Madonna sahen nicht aus, wie der normale Durchschnittsbürger und legten auch kein solches Verhalten hin. Sie lebten ihr privates Leben nicht in der Öffentlichkeit und waren somit umgeben von Mythen und Rätseln, die sie interessant und ungreifbar für ihre Fans machten. Dann kamen die Casting Shows. Plötzlich konnte die ganze Welt zusehen, wie Stars gemacht werden. Plötzlich konnte die ganze Welt selbst ein Star werden und mitbestimmen, via Voting, wer ein Star werden darf. Das Bild verschob sich. Es wird nicht der Star vom anderen Stern gesucht. Nein, Ende der 90er suchen wir Menschen wie du und ich und genau da kommt Britney Spears ins Spiel.
Noch nie waren wir bei dem Absturz eines Superstars so nah dabei
Zu Beginn ihrer Karriere ist sie das kleine Mädchen vom Land, dass zum Superstar wird. Sprich, auch du kannst das schaffen, egal woher du kommst! Britney Spears startet ihrer Karriere zu einer Zeit, in der die Medien, dank des Internets, schneller werden und wir immer mehr hinter die Kulissen blicken können. Sie wird groß gefeiert und legt dann einen der größten öffentlichen Zusammenbrüche der Popgeschichte hin. Das Paparazzi- und Handyzeitalter sorgt dafür, dass wir alles, was Madonna & Co. in den 80ern und Anfang der 90er noch still und heimlich hinter verschlossener Tür falsch machen konnten, nun vor der ganzen Welt geschieht. Jeder Fehler, jeder Zustand von Britney Spears wird zu dieser dunklen Phasen ihres Leben täglich im Fernsehen ausgestrahlt. Noch nie waren wir bei dem Absturz eines Superstars so nah dabei. Erstaunlich ist aber, dass Britney zu diesem Zeitpunkt parallel eines ihrer besten Alben, nämlich „Blackout“, hinlegte. Sie macht mediale Fehler wie ihren geächteten Auftritt bei den VMAs in 2007 und versinkt immer weiter im Gespött der Presse. Doch zeitgleich ist es nicht das Ende ihrer Karriere und sie muss auch keine musikalische Misserfolge einbüßen. Ganz im Gegenteil! Ihre Singles „Gimme More“ und „Piece of Me“ werden trotzdem weltweite Hits, trotz negativer Schlagzeilen und tägliche Skandale.
Viele haben Britney Spears zu dieser Zeit den frühen Tod vorher gesagt, wie Amy Winehouse oder Kurt Cobain, doch sie arbeitete sich Stück für Stück zurück. Ihre Rhetorik war im Eimer, ihre Figur nicht mehr durchtrainiert, wie zu ihren besten Zeiten, und eigentlich war sie nicht mehr das talentierte Sternchen, dass wir vor dem Absturz kannten. Doch heute ist Britney wieder da, wo sie mal war. Sie hat sich von Album zu Album und Tour zu Tour zurück gekämpft. Das gab es in dieser Form ebenfalls auch noch nie in der jungen Pop Kultur und somit gehört sie zu den wenigen Superstars, die es wieder zurück geschafft haben. Michael Jackson hat es nach den Anschuldigungen Kinder zu missbrauchen nicht mehr geschafft, Whitney Houston ist aus dem Drogensumpf nicht mehr raus gekommen, Elvis hat es nicht geschafft und Amy auch nicht. Sie sind alle nach ihrem Tiefpunkt (unbeachtet des Todes) nicht mehr erfogreich zurück gekommen. Und hier kommt der springende Punkt, wieso Britney Spears nach ihrem Absturz weiter gefeiert wird.
Britney Spears darf, was einer Beyoncé nie verziehen werden würde
Wenn wir ehrlich sind, hält sich Britney Spears an keine Regel des Showgeschäfts. Sie macht kaum Promo. Ihr Album „Britney Jean“ war musikalisch unterirdisch, sie singt nicht live und sie hat bis zu ihrer Las Vegas Show furchtbar getanzt. Geschweige denn, dass sie immer wieder den Eindruck erweckte, eigentlich gar keine Lust auf das zu haben, was sie da machte. Ihr Absturz machte sie Menschlich und diese lustlose Art und Weise kleiner Comebacks ebenso. Wenn man also Britney Spears in Relation zu Beyoncé, Adele oder Ariana Grande setzt, ist sie am ehesten wie du und ich. Zum ersten Mal haben wir begriffen, dass ein Megastar auch nur Mensch ist. Wir haben alle mit ihr mitgelitten, weil das auch ein Stück weit wir sind. Wir haben auch unsere Abstürze und düstere Kapitel im Leben. Nur schaut bei uns nicht die ganze Welt dabei zu. Im Grunde ist die Aussage der öffentlichen Pop Figur der Britney Spears die, dass du und ich auch ein Weltstar sein können und das trifft den Nerv der Casting-Generation. Während wir bei Adele, Beyoncé & Co. an der Stimme und dem Talent scheitern, lebt uns Britney Spears vor, dass wir auch mit einer mittelmäßigen Stimme ein Weltstar sein können. Viele von uns können mindestens genau so gut singen und Tanzen, wie Britney zu ihren schwächsten Zeiten. Und das hat durchaus seine Faszination.
Das so ein Star konsequent nicht live singt, setzt dem ganzen die Krone auf, denn sie zeigt, dass es durchaus geht. Im Grunde macht Britney Spears bei ihren Konzerten nichts anderes, als die Kids in der Mini Playback Show in den 90ern oder jede Dragqueen, die zu einer Nummer eine Lypsinc-Show hinlegt. Bei Britney Spears wird das verziehen, denn es bringt das Niveau des Popstars auf eine realistische Ebene herunter, bei der wir glauben, diese vielleicht auch erreichen zu können. Ich möchte also behaupten, dass fast jeder Britney Spears Fan in ihr den wahr gewordenen Traum seiner eigenen Träume sieht. So wie Mütter, die gerne Sängerin geworden wären, aber nun ihre Kinder dazu zwingen, diesen Traum für sie zu leben. Das tut Britney Spears für uns. Und wir haben es alle mit ihr durchlebt. Wir sind mit ihr abgestürzt und wir haben sie zurück kommen sehen. Schritt für Schritt. Aus dieser Verbundenheit, trennen wir sie von allen Anforderungen, die wir an andere Stars stellen. Sie darf Playback singen, sie darf keine Lust haben, Fehler machen oder einfach mal scheiße aussehen. Einer Beyoncé würde wir das nie verzeihen, denn Beyoncé verkauft sich anders. Sie vermittelt den Eindruck, dass sie das alles kann und alles lebt, was sie macht. Also sagen wir: „Dann beweise, dass du deinen Ruhm auch verdient hast und liefer ab“. Beyoncé ist Feuer und Flamme, während man bei Britney Spears das Gefühl hat, dass sie das macht, was man ihr vorschlägt und woran sie Spaß hat, aber im Grunde froh ist, wenn sie in paar Jahren das Ganze gar nicht mehr machen muss. Man hat das Gefühl, die braucht das alles nicht und dadurch fressen ihr ihre Fans aus der Hand und gehe zu 55.000 zu ihrem Konzert. Sie sind über jedes Stück, dass sie bekommen können, dankbar. Lieber eine Britney Playback Show, als gar keine Britney Show. Egal, was die Hater sagen.
Titelbild: Billboard Screenshot
Bilder: Sony Music Germany
Eine Antwort auf „Was alle Hater über das Phänomen Britney Spears verstehen sollten“
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