Auf Hollywood Tramp habe ich schon öfter mit euch über Dating Apps diskutiert. Ja, es gibt auch Ausnahmen, die beweisen, dass man tatsächlich den Mann fürs Leben über eine App treffen kann. Aber in diesem Fall greift der Spruch „Ausnahmen bestätigen die Regel“ leider nicht. In der Regel sieht es nämlich so aus, dass die jüngere Generation der schwulen Männer die ganze Dating-Kultur langsam aber sicher zerstört hat.
Es gab eine Zeit, in der es eine echte Dating-Kultur gab. Das war vor der Generation iPhone und vor den Apps. Sie wurde von den Generationen, die eben ohne das World Wide Web aufgewachsen sind lange gepflegt. Ich würde behaupten bis ca. 2010. Seitdem geht es rasant in eine andere Richtung, denn das Daten in der ursprünglichen Form, wie wir es ohne App oder noch zur Anfangszeit der Apps kennen, gibt es kaum noch.
Ich höre endlich auf mit den Dating Apps
Wie komme ich nun auf dieses Thema? Immer mehr Freunde um mich herum geben das Daten auf. Sie kommen zu mir und verkünden, sie würden es mit den Apps lassen, als würden sie verkünden, sie werden ab morgen kein Fleisch mehr essen oder endlich mit dem Rauchen aufhören. Zeitgleich zu dem ist auf Gay Star News ein ähnlicher Artikel zu genau diesem Thema erschienen, in dem der Schreiber ebenfalls das Ende des sinnlosen Abschleppens anderer Männer verkündet.
Was sich am meisten verändert hat ist die Tatsache, dass man heute nicht mehr auf Sex hofft. Man erwartet es bei einem Treffen über Dating Apps. Man hat erst Sex und wenn es doch mehr ist als das, lernt man sich eben im Anschluss kennen. Dabei war die Hoffnung auf Sex doch früher immer genau der richtige Ansporn, um jemanden kennenzulernen. Es ist im Grunde wie ein Gebäck mit Füllung. Um an die leckere Füllung zu kommen, musst du dich durch den Teig essen. Würde man dir die Füllung aber direkt servieren, würdest du dann noch hinterher den Teig anrühren? Wohl eher nicht. Der Teig ist in diesem Fall das Kennenlernen, aber wozu der Aufwand, wenn man doch direkt zum kurzen und unverbindlich Glück, in Form von Sex, greifen kann?
Kurzes Glück, langes Unglück?
Im Grunde ist es doch so, dass die Meisten, die regelmäßig Typen über Apps abschleppen, eine Lücke füllen wollen. Ich habe mich dabei nie erfüllt oder gut gefühlt, denn ich nutze meinen Körper, um etwas zu bekommen, dass ich durch Sex ohne Gefühle nicht bekommen kann: Liebe! Das Risiko sich danach schlecht zu fühlen ist groß und wir hatten das sicherlich schon alle mal nach so einem Sexdate und trotzdem befinden sich manche Menschen in einer endlosen Schleife aus Sexdates. Mir ist aufgefallen, dass es für viele Menschen um mich herum (und das betrifft nicht ausschließlich den schwulen Mann) ein Ventil ist, um mit etwas klar zu kommen. Sei es eine Trennung, die große Liebe, die kein Interesse an dir hat oder Stress im Job. Viele die Probleme in ihrem Leben haben, nutzen diese Sexdates als eine Art Droge, die ihnen für einen kurzen Moment das Gefühl geben kann, etwas wert zu sein. Die Lücke kann Sex kurzfristig füllen, aber wenn wir einmal ehrlich sind, ist der Rausch vorbei sobald man gekommen ist. Meistens können es beide Seiten gar nicht abwarten, dass der Andere seine Sachen nimmt und schnell verschwindet. Und genau dann kommen alle negativen Gefühle, Sehnsüchte und Ängste zurück. Und da nichts kurzfristig dagegen helfen kann, betäubt man sich mit dem nächsten Sexdate am nächsten Tag.
Das Kompliment geht nicht an dich, sondern an den Sex mit dir
Ich will damit niemanden verurteilen, weil es etwas sehr menschliches ist. Doch das traurige dabei ist, dass die ganze Dating-Kultur verschwindet und wir abstumpfen. Physische Intimität mit einer anderen fremden Person fällt uns leichter, als geistiger oder emotionaler Austausch. Wurde uns damals als Kind nicht beigebracht, dass das erste Mal etwas Besonderes sein soll? Dass der Köper etwas Heiliges ist, mit dem man behutsam umgehen soll? Heute wird einem eher geraten, bloß keine Gefühle zu investieren und sich nicht emotional zu öffnen. Wer es auf unverbindlichen Sex beschränkt ist heute clever, statt billig. Wenn dann ein Sexualpartner mehr als einmal zurück kommt, geht das Kompliment nicht an deine Person, sondern du gehst davon aus, dass der Sex gut war. Darauf beschränkt sich also das ganze Dating-Prinzip heute.
Es ist, als würde man ein Teppich über ein Loch legen.
Kein Wunder also, dass ich immer wieder auf Freunde treffe, die damit plötzlich brechen. Es ist eben ermüdend und auf lange Sicht nicht befriedigend. Zumindest auch nicht für mich. Ich habe dadurch nie Liebe erfahren oder das Gefühl bekommen, das ich habe, wenn ich Sex mit jemanden habe, der mir sehr viel bedeutet. Es ist, als würde man einen Teppich über ein Loch legen. Man sieht das Loch zwar nicht, aber man würde trotzdem reinfallen, wenn man auf den Teppich tritt. Ich habe für mich herausgefunden, dass es zwei Arten von Sex gibt. Der emotionslose Sex mit Menschen, die ich kaum kenne, erfüllt mich kurzfristig. Aber auf lange Sicht macht er mich stumpf und führt mir emotional sogar eher einen Schaden zu, weil ich immer mehr die Hoffnung in eine Welt verliere, in der der Mann meines Lebens auf mich wartet. Die zweite Art ist der Sex mit einer Person, die ich Liebe und das ist eine ganz andere Welt, denn hier bringt mir nicht der Sex an sich dieses Gefühl der Wärme und angekommen zu sein, sondern der Moment danach. Es geht um die Person und nicht um das, was ich mit ihr mache. Und das ist unbezahlbar, oder?
Bild: Instagram/leotakespics
Eine Antwort auf „„Ich erwarte Sex beim ersten Date“ – Die schwule Dating-Kultur ist fast ausgestorben!“
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