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Riccardo Simonetti im Interview – Ein Blogger mit Botschaft

Optisch ist er eine Mischung aus Jesus und Rockstar. Doch um das Wesen von Riccardo Simonetti zu beschreiben, bräuchten wir mehr als nur eine simple Einleitung. Er ist facettenreich und einfach nur er selbst zugleich. Verrückt und doch so normal. Sein buntes Treiben dokumentiert der in Bad Reichenhall geboren Blogger auf seiner Seite „THE FABULOUS LIFE OF RICCI“ und wir haben ihn zum Interview getroffen. 

Riccardo - Hollywood Tramp Interview

Auf seinem Blog geht es vor allem um Spaß, Mode und unkonventionellen Outfits. Doch Riccardo nutzt diese Fläche auch für persönliche Themen, spricht über Tabus und seinen doch sehr turbulenten Werdegang. Er arbeitet als Model, Schauspieler oder Moderator und reist von Event zu Event. Seine langen Haare sind ein Markenzeichen, aber zugleich auch eine Angriffsfläche. Wir sprechen mit ihm über seine Kindheit in einer Kleinstadt, Homophobie in der Szene und vor allem darüber, wie sehr lange Haare bei einem Mann provozieren können. 

Riccardo, du bist erfolgreicher Blogger auf deiner Seite „The Fabulouse Life of Ricci“. Wie kam es dazu?

Ich war immer besessen von Pop Kultur, Unterhaltung und Mode und wollte so früh, wie nur möglich einen Fuß in die Tür setzen. Als Teenager habe ich bereits beim Radio gearbeitet und eine Sendung zu diesem Thema moderiert. Als diese auslief, wollte ich etwas neues und da habe ich meinen Blog ins Leben gerufen, auf dem ich über Mode schreibe, aber auch eine Art Tagebuch führe, das meine Gehversuche in dieser glitzernden Welt dokumentieren und vielleicht auch anderen ein bisschen Mut machen soll ihr Leben selber in die Hand zu nehmen.

Es ist nicht nur ein typischer Mode-Blog. Du schreibst auch viel über Themen die dich beschäftigen. Welche Themen beschäftigen dich besonders und was ist deine Botschaft?

Als unkonventioneller Junge hat man es in der Gesellschaft leider immer noch nicht leicht und wer etwas anderes behauptet hat leider keine Ahnung davon. Sowohl als Junge, der auf dem Land aufgewachsen ist, als auch als Wahlberliner erlebe ich jeden Tag, wie unterschiedlich die Menschen auf einen reagieren und das ist manchmal sehr schön, oft aber auch das genaue Gegenteil. Um zu zeigen, dass es sich aber am Ende des Tages immer lohnt man selbst zu sein und sich selber so auszuleben, wie man es für richtig hält, schreibe ich Texte, die das thematisieren. Wenn sich dadurch der ein oder andere, der nicht das Glück hat super selbstbewusst aufzuwachsen, ein wenig inspirieret fühlt, habe ich das erreicht, was ich mir vorgenommen habe.

Du fällst auf. Deine langen Haare und dein verspielter Style sind quasi dein Markenzeichen, was dir heute zugute kommt. Wie bist du damit in deiner Heimat Bad Reichenhall zurechtgekommen?

Mode war für mich immer ein starkes Ausdrucksmittel und ich habe früh angefangen zu experimentieren. Bandas, verrückte Frisuren und schillernde Klamotten stehen auf dem Land natürlich nicht auf der Tagesordnung und man merkt schon, welch ein Dorn im Auge das den alteingesessenen Menschen ist. Ich hatte zum Glück auch immer eine Menge Menschen auf meiner Seite, die mich in dem unterstützt haben – allen voran natürlich ich selbst (haha), der davon überzeugt war, dass man es den Leuten schuldig wäre zu zeigen, dass es auch in einer kleinen oberbayerischen Stadt Menschen gibt, die anders sind, als das was sie kennen. Und auch heute empfände ich es als heuchlerisch, wenn ich mich ‚runterschlichte‘, bloß weil ich in meiner Heimat bin und nicht in der Großstadt.

Menschen die auffallen haben nicht nur Fans, sondern auch Neider. Hat sich das heute geändert oder musst du täglich kämpfen, weil du bist, wie du bist? 

Ich denke, dass man sobald man aus der Masse in irgendeiner Form heraussticht sein Umfeld in zwei Hälften teilt – die einen finden das gut, was man tut, die anderen halt nicht und solange man mit dem was man tut niemanden schadet, habe ich nie einen Grund gesehen etwas zu ändern. Früher bin ich verprügelt und beschimpft worden, wurde sogar im Bus angezündet und musste mit den fiesesten Kommentaren klar kommen – bloß weil ich mich anders anzog, als meine Geschlechtsgenossen. Das hat sich durch mein Leben in der Modewelt natürlich verändert. Auf einem Event oder einer Filmpremiere freuen sich die Leute heute plötzlich über meinen unkonventionellen Sinn für Mode. Aber der Weg dorthin führt immer noch durch die U-Bahn und da ist es völlig egal in welcher Stadt man lebt, man merkt immer wie viel Feindseligkeit da mitschwingt. Dumme Äußerungen, böse Blicke und Drohungen gehören heute nach wie vor zu meinem Alltag – glücklicherweise genauso wie Komplimente, glückliche Gesichter und viele aufbauende Fanmails.

Was verletzt dich in der Hinsicht am meisten und wie entgegnest du „Hatern“?

Ich hatte immer das Glück mich selbst mehr zu lieben, als die Meinung anderer Menschen und wenn jemandem meine Haare nicht gefallen sollten, ist mir das mehr oder weniger egal. Da kann er oder sie auch sagen was er möchte – was ich persönlich mehr als lästig empfinde ist es ausgelacht zu werden. Ich würde gar nicht auf die Idee kommen jemand anderes auszulachen, aber da schrecken oft nicht mal der Sicherheitsbeauftragten am Flughafen vor zurück und man fragt sich wirklich was für einen Horizont ein Mensch haben muss, wenn er einen langhaarigen Jungen mit Lächeln im Gesicht als derartige Provokation ansehen muss.
In solchen Momenten bleibe ich bei mir und erinnere mich an die Worte, die ich mir als Kind immer gesagt hatte ‚Ich werde mal ein Star und dann kann ich sowieso machen und anziehen, was ich will“ und es hilft. Ich wüsste, dass ich mich in einem ’normalen‘ Leben immer dem Diktat solcher Menschen unterwerfen müsste, während ich in dem was ich heute mache die komplette Selbstentfaltung genießen kann. Das ist ein großes Privileg, wofür ich mehr als dankbar bin.

Als schwules online Magazin können wir ein Lied über Intoleranz singen. Begegnest du dem auch in der doch so toleranten Modewelt? 

Auch wenn das jetzt sicher nicht jeder hören will – Ich muss sagen, dass ich von der Modewelt (gerade in Deutschland) schon auch enttäuscht wurde. Dieses ständige “Sei du selbst und drück dich mit Mode aus“, das mich als Junge so oft gerettet hat, wird leider nicht mal ansatzweise so empfunden oder geschätzt, wie es gepredigt wird. Da ist man als langhaariger Junge in Leggings halt doch immer noch eine Ausnahme und wird als Freak angesehen. Trotzdem hat mir diese Welt das Zuhause gegeben, das ich im Rest der Gesellschaft niemals gefunden habe und zum Glück gibt es auch viele in der Industrie, die sich so etwas, wie mich wünschen, sonst wäre ich quasi arbeitslos. (haha)
Ich liebe Mode, empfinde sie aber wohl ein wenig anders, als das was uns in Magazinen vorgeschrieben wird.

Über diese Themen sprichst du auch offen auf deiner Seite. Ist es nicht wie ein Seelenstrip, so tiefe Emotionen mit so vielen Menschen zu teilen?

Klar, ist das was ich schreibe oft sehr privat und macht einen auch angreifbarer, als ein simpler Outfitpost. Aber wenn ich dadurch zeigen kann, dass Mode nicht immer oberflächlich und stumpf interpretiert werden muss, mache ich das gerne. Ausserdem hilft es mir gewisse Erlebnisse zu verarbeiten, wenn ich sie mit meinen Followern teile und sehe, dass sich viele auch Hilfe für ihre eigenen Lebenssituationen daraus ziehen können.

Du hast keine Angst mit den typischen Geschlechterrollen zu spielen. Wirst du oft mit Conchita Wurst verglichen?

Männlichkeit und Weiblichkeit definiere ich wahrscheinlich ein bisschen anders, als unsere katalogisierende Gesellschaft, bei der Schwule oft leider auch keine Ausnahme sind.
Einem Jungen mit langen Haaren und einem androgyn angehauchten Look wird oft vorgeworfen, lieber ein Mädchen sein zu wollen, was in meinem Fall zum Beispiel gar nicht zutrifft. Ich finde man(n) kann auch ein ganzer Mann sein, wenn man einen Rock und Augenmake Up trägt, das sagt doch nichts über unsere Männlichkeit aus. Conchita ist eine Kunstfigur, die für das, was sie tut, eine Menge Respekt verdient hat, aber auch für die Bühne erschaffen wurde – gerade im letzten Jahr fiel der Vergleich natürlich oft und auch wenn viele das als Kompliment empfinden, sehe ich mich nicht als Conchita, da ich das was ich mache, nicht nur vor der Kamera repräsentiere, sondern Tag für Tag im echten Leben. Nicht verkleidet, sondern einfach bloß als ich selbst.

Nerven dich diese Vorurteile nicht?

Klar nervt es einen, wenn man sich Tag für Tag rechtfertigen muss ein Junge zu sein. Keine U-Bahn-Fahrt vergeht ohne, dass ein pubertierender 13-Jähriger als Mutprobe zu mir kommt und mich fragt, ob ich Männlein oder Weiblein bin.
Und auch die Presse fragt einen, ob man lieber eine Frau wäre, weil man doch so schönes langes Haar habe und wenn man dann am Ende des Tages auch keine schwulen Bar mehr betreten kann, ohne dass man gefragt wird ‚was‘ man denn nun eigentlich sei kommt einem schon mal ein frustriertes Stöhnen über die Lippen und es gibt Momente, in denen man sich selber dann schon hinterfragt, weil man einfach nichts tun kann, ohne das es unkommentiert bleibt. Diese Gedanken verfliegen aber glücklicherweise recht schnell und nichtsdestotrotz ist dies der Preis, den ich gerne zahle, wenn ich dafür ich selbst sein kann und am Ende vielleicht auch den Horizont von ein paar anderen Menschen erweitern konnte.

Wo stehst du heute? Führst du das Leben, das du immer führen wolltest oder hat „Ricci“ noch große Pläne?

Also gerade, wenn ich auf das letzte Jahr zurückblicke sehe ich ein Jahr voller spannender Projekte, toller Fotoshootings und spannender Drehs, Haufenweise roter Teppich-Bilder und ein breites Grinsen auf meinem Gesicht, das mir sowohl von Magazin Covern und Plakaten, als auch von Fernsehbildschirmen und im kommenden Frühling auch von der Kinoleinwand entgegen strahlt. So in der Art habe ich mir mein Leben immer vorgestellt, aber am Ziel bin ich noch lange nicht. Ich will so bekannt werden, dass ich mich als Marke frei austoben kann. Ich will allem nachgehen was mir Spaß macht – als Model arbeiten, schreiben, moderieren, schauspielern, Mode und wer weiß, was da noch alles kommt. Ziel wäre es einmal eine eigene Sendung zu haben. Mal sehen was mir auf dem Weg dorthin noch alles begegnet. Ich bin auf jeden Fall dankbar für jeden, der mich auf diesem Weg begleitet!

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Titelbild: Christian Hasselbusch

wsdc

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