Kategorien
News zSlider

Cancel Culture: Die Kunst, nicht einer Meinung zu sein, ist verlernt!

Diskussion über den neuen US-Präsidenten in der Mittagspause, Streit um das neue TikTok-Feature auf dem Schulhof und ein Wortwechsel über Vegane-Ernährung und Tierhaltung am Familientisch. Im realen Leben diskutieren wir viel, offen und lange. Dass dies in der digitalen Welt verlernt wurde, zeigt die Cancel Culture.

Wenn die Menschheit seit einem Jahr existieren würde, wurde das Internet an Silvester um kurz vor Mitternacht erfunden. Social Media erst in dem Moment, in dem man Anfängt bei zehn runter zu zählen. Die Generation Millennials ist die erste, die in eine überwiegend analoge Welt hineingeboren wurde und Zeuge des Übergangs zur Digitalisierung wurde. Gen Z ist die Generation, die eine analoge Welt nur noch aus Erzählungen kennt oder sich bis heute über die in der Stadt verteilten mysteriösen Säulen der Telekom, mit integriertem Hörer und Ziffernblock, wundert.

Als die Gen Z die ersten Schamhaar am eigenen pubertierendem Körper entdecke, entdeckte sie auch den Like-Button auf Social Media. Jahre später, nämlich heute, ist das Internet in gewisser Hinsicht sicherlich die Rettung in der Pandemie gewesen. Das Leben hat sich in dieser Zeit digital eingeschossen. Neben dem Informationsfluss, den Online-Einkäufen usw. verbringen wir natürlich auch viel mehr Zeit auf Social Media. Gepaart mit der eigenen Frustration durch die derzeitige Situation, wird Social Media immer mehr zum Ventil, um mitzumischen und Stellung zu beziehen. Aber auch, um zu canceln.

Wo Helden gemacht werden, müssen auch Helden fallen

Mittlerweile entstehen auf Social Media wöchentlich neue Bewegungen, die ihre Macher zum Gutmenschen erklären. Wo Helden gemacht werden, müssen aber auch welche fallen. Und so wird im selben Pensum auch wöchentlich gecancelt. Sobald einige „Aktivisten“ jemanden als unakzeptabel erklären, entsteht ein Schneeball der immer größer wird, weil sich immer mehr Menschen an ihn klammern. Dabei können die äußeren Schneeschicht den Kern gar nicht mehr erkennen und wissen im Zweifel nicht einmal mehr worum es geht. Hauptsache man hat eine Meinung dazu.

Wenn jemand als unakzeptabel erklärt wird, springt der Mob auf. Oftmals geht es nicht um das auserwählte Ziel, dass es nun zu canceln gilt. Es geht um die Methode. Man ist nicht mehr der Mensch, der einen Fehler gemacht hat. Man ist selbst der Fehler. Dabei feiert sich der Mob so exzessiv selbst, dass ihnen beim shitstormen entgeht, das ihr Kampf gegen Missstände zum eigenen Misstand wird. Es gab einen Unterschied zwischen einem Shirtstorm und dem canceln einer Person, Marke usw. Doch diese Abgrenzung verwischt besonders jetzt.

Diskussionen im Netz sind anders und radikal

Wenn jemand eine problematische Aussage macht, fragen wir im realen Leben in der Regel erstmal nach. Wieso hast du das gesagt? Wieso denkst du so? Oder wir äußern unsere Meinung dazu und warten auf eine Gegenreaktion oder Erklärung. Anders hier: „Ich hoffe Du verreckst“, „Deine Karriere ist vorbei“, „Dir soll niemand mehr eine Plattform bieten“ usw. repräsentieren den Ton im Netz. Die Cancel Culture ist einseitig und radikal. Ihre rasend schnelle Verbreitung wird durch den Algorithmen der großen Plattformen befeuert, denn diese sind auf Interaktion ausgelegt. Wo eine Vielzahl von Menschen interagiert, muss interessanter Inhalt vorhanden sein, der entsprechend noch mehr Menschen angezeigt wird. Ob die Kommentare positiver oder negativer Natur sind, kann nicht unterschieden werden. Das Lauffeuer greift um sich.

So werden deutsche Schauspieler (wie Jan Josef Liefers), die zugegebener Maßen einen falschen Weg für die Kommunikation ihres Anliegens gewählt haben, gecancelt. Während der Tatort mit Jan Josef Liefers, trotz #allesdichtmachen, eine Rekordquote von 14,22 Millionen schafft. Ist es eine Doppelmoral der Cancel Culture oder leben wir in einer Parallelgesellschaft, in der die Jüngeren auf Social Media alles canceln, was nicht passt, während Älteren, die eh nicht ganz so aktiv auf Social Media sind, offener und weniger radikal urteilen? Eine Spaltung haben wir so oder so und nur Dank dieser, greifen solche viralen Hinrichtung auch so reichweitenstark um sich.

Nicht so heiß gegessen, wie gekocht

Dass sie dabei parallel die Bekanntheit derjenigen, die sie eigentlich canceln wollen steigern, scheint man billigend in Kauf zu nehmen. Jan Josef Liefers für seinen Teil, war in den letzten Wochen in so vielen Talkshows, wie schon lange nicht mehr. Und an diesem Bespielt lässt sich sehr schön zeigen, dass es vielleicht gar nicht um das Abschreiben von Menschen geht. Es geht darum für die eigene Meinung gefeiert werden zu wollen. Sich als Gutmensch zu präsentieren, Likes dafür zu kassieren und noch paar Follower oben drauf. Das sagen, was man der Person im realen Leben niemals so ins Gesicht sagen würde. Radikal, aber ohne Rückrat. Eine digitale Backpfeife, die knallt, aber ohne Echo. Und da morgen schon der Nächste gecancelt wird, hängt das heutige Opfer nur temporär am virtuellem Strick.

Von „Cancel“ kann hier also absolut nicht die Rede sein, denn wie wir sehen können, wird auch hier nicht so heiß gegessen, wie gekocht wird. Wenn das also die „Cancel Culture“ sein soll, brauchen wir uns alle keine Sorgen mehr zu machen, denn die cancelt sich langsam aber sich selbst. / Berry

wsdc

Eine Antwort auf „Cancel Culture: Die Kunst, nicht einer Meinung zu sein, ist verlernt!“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert